von links nach rechts: AStA, RCDS, rar, LHG, Jusos, Olli, VDSb

Am Mittwoch, den 25. Juni 2025, lud der AStA der Universität Kassel zu einer Podiumsdiskussion im Rahmen der anstehenden Hochschulwahl ein. Die Veranstaltung sollte ursprünglich um 12:30 Uhr vor der Mensa starten, begann jedoch erst kurz nach 13 Uhr. Die Bedingungen waren alles andere als ideal: hohe Temperaturen, wenig Schatten und zunächst ein geringes studentisches Interesse. Zu Beginn bestand das Publikum überwiegend aus Mandatsträger:innen und AStA-Mitglieder:innen. Erst mit zunehmender Dauer kamen mehr Studierende hinzu, von denen viele jedoch nur kurz verweilten. Trotz der bescheidenen Resonanz bot die Diskussion eine facettenreiche Einführung in hochschulpolitische Positionen der teilnehmenden Listen und offenbarte zugleich die bestehenden Konfliktlinien.

Teilnehmende Listen und Setting

Auf dem Podium vertreten waren die Listen (nach Sitzreinfolge): RCDS, rar – raus aus‘m rhabarber, Liberale Hochschulgruppe Kassel (LHG), Jusos, Offene Linke Liste (Olli), sowie VDSb. 

Gefehlt haben: Studierende gegen Rechts, Witzenhäuser ÖkoLobby, HLS, Ein radikaler Öko, Die.Linke.SDS und KUS – die lieber Waffeln und Energydrinks verteilt haben.

Atmosphäre im Studierendenparlament – Spannungen, Blockaden und Misogynie

Die erste vorbereitete Frage griff die angespannte Stimmung im Studierendenparlament (StuPa) auf. In der vergangenen Legislatur kam es zu zahlreichen Sitzungsabbrüchen.
Der RCDS sah die Schuld bei der mangelnden Koalitionsbereitschaft anderer Listen und betonte seine Vorstellung einer stabilen Mehrheit – obwohl die Liste laut Berichten regelmäßig selbst Sitzungen frühzeitig verließ. rar sprach von einem strukturellen Problem: Es gäbe Listen, die konstruktiv arbeiten wollen, und solche, die lediglich den AStA blockieren. „Wir sollten Leute fördern, die etwas machen wollen“, forderte rar.
Die LHG lehnte ideologische Grabenkämpfe ab: „Wir wollen keine ideologischen Kriege führen.“. Die Jusos appellierten an Kooperation zwischen neuen und erfahrenen Mitgliedern und erklärten: „Bashing bringt nichts.“ Sie forderten eine verlässliche Anwesenheit und betonten ihre Ablehnung von Misogynie. Die Olli plädierte für einen respektvollen Umgang und sprach sich für ein strikteres Präsidium aus. Die VDSb betonte: „Alle, die demokratisch gewählt werden, sollten gesprächsfähig sein.“

Campusleben

Wie lässt sich das Leben der Studierenden an der Universität Kassel verbessern? Auf diese Frage antworteten die Listen vielschichtig:
Der RCDS kritisierte die Arbeit des AStA: „Sie haben bezahlte Stellen und liefern nicht ab.“ Die Liste forderte mehr Leben auf dem Campus. rar bemängelte, dass alle guten Initiativen zu lange bräuchten: „Prozesse müssen beschleunigt werden.“ Die LHG kritisierte die mangelhafte Digitalisierung der Uni und forderte Verbesserungen bei der Uni-Website: „Die Uni ist digital nicht mehr zeitgemäß.“ Die Jusos schlossen sich diesen Punkten an.
Die Olli thematisierte die drohenden Kürzungen: „Wenn Gelder gestrichen werden, hat das direkte Auswirkungen auf Stellen und Beiträge.“ Die VDSb wies auf die wirtschaftliche Lage vieler Studierender hin und forderte: „Nicht jedes Jahr den Semesterbeitrag erhöhen“. Außerdem müsse der ÖPNV für Studierende günstiger werden.
Die Olli ergänzte die Forderung nach mehr Lern- und Chill-Orten auf dem Campus und forderte, wissenschaftliche Hilfskräfte (HiWis) vor unbezahlten Überstunden zu schützen. 

Fehlverhalten und Konsequenzen – Wie ernst nehmen es die Listen?

Ein Mitglied des Publikums fragte kritisch, wie die Listen intern mit Fehlverhalten umgehen, wie etwa bei Respektlosigkeit, Misogynie oder Memekultur.
rar forderte klare Regeln: „Mandatsverlust bei dreimaligen unentschuldigten Fehlen“. Der RCDS sprach von nötigen Strukturreformen. Die LHG plädierte für ein arbeitsfähiges Parlament und „mehr Sanktionierungen für Fehlverhalten“. Die Jusos und Olli forderten einheitliche Verhaltensregeln und begrenzte Redezeiten.
Zur Frage, ob es mehr als nur einen Ordnungsruf geben sollte, sprach sich rar für direkte Verweise aus. Die Olli, Jusos und LHG stimmten zu. Der RCDS gestand ein: „Die Debattenkultur war vergiftet“, zeigte sich jedoch optimistisch für die neue Legislatur.

Hochschulpakt, Zivilklausel – Kürzungen und Protest

Auch der Hochschulpakt wurde intensiv diskutiert. Auf die Frage, wie bereit die Listen zu Protesten seien, antwortete der RCDS: „Wir waren da.“ Sie verwiesen darauf, dass sich der Landesverband Hessen kritisch geäußert habe. rar betonte, dass Proteste bereits stattfänden und fortgesetzt werden müssten. Die LHG erklärte pathetisch: „Bildung ist der erste Freiheitskrampf, den jeder von uns führt.“ Die Jusos und Olli sprachen sich für mehr Aktivismus aus, die Olli betonte, man habe in der Hinsicht sogar „Expertise“.

Die LHG sprach sich im Laufe der Diskussion für den Austritt aus der Zivilklausel aus – einer hochschulinternen Selbstverpflichtung, die militärische Forschung und Kooperationen mit der Rüstungsindustrie ausschließt. Während andere Listen an der Klausel festhalten wollen, fordert die LHG „mehr Freiheit in der Bildung“.

Streitpunkt Referate – Sparpotenziale oder politische Strukturen?

Eine Publikumsfrage zur kürzung von autonomen Referaten, traf auf ein geteiltes Echo. Die Jusos bekannten sich zu Antirassismus und Feminismus und sprachen sich gegen jegliche Kürzungen aus. Die LHG wollte u.a. bei der Färberei sparen sowie Personalkosten im AStA senken. Der RCDS sagte zur Färberei: „Dort wird Geld verbrannt“, forderte neue Konzepte und größere Events. rar und die Olli lehnten Kürzungen deutlich ab und forderten, dass autonome Referate weiterhin autonom bleiben sollten.

Sitzungsgelder – Ehrenamt oder Entlohnung?

Ein Antrag zu Sitzungsgeldern für StuPa-Mitglieder stieß auf breite Ablehnung. Die Olli erklärte: „Wir machen das, weil wir es wollen (…) mehr Sichtbarkeit und Wertschätzung reichen.“. Die Jusos und LHG betonten den Ehrenamtsgedanken. rar betonte, der Antrag stamme von Listen, die selbst oft blockierten. Der RCDS sprach sich ebenfalls gegen Sitzungsgelder aus.

Misogynie und Konsequenzen – Worte oder Taten?

Ein besonders kritischer Moment war die Frage an den RCDS, wie sich dieser als ‚Politik der Mitte‘ verstehen könne, obwohl ein Mitglied eine andere Person als „feministische Schlampe“ bezeichnet habe. Die Antwort: Ein neuer Vorstand sei gewählt, der sich für Respekt einsetze. Personelle Konsequenzen? Fehlanzeige – die Person steht weiterhin auf der Liste. 
Die Olli forderte Workshops und den Ausschluss von diesen Personen. Die Jusos betonten Awareness und politischen Willen. rar sprach von einem „Null-Toleranz-Prinzip“.

Fazit – Eine Diskussion mit viel Potenzial, wenig Publikum

Die Podiumsdiskussion zeigte eindrucksvoll, dass Hochschulpolitik nicht an Relevanz verliert – auch wenn das Interesse unter Studierenden gering blieb. Die Themenvielfalt war groß: von strukturellen Problemen im StuPa über die wirtschaftliche Lage Studierender bis zu misogynen Vorfällen innerhalb von Listen. Die Diskussion offenbarte nicht nur politische Differenzen, sondern auch unterschiedliche Vorstellungen von Verantwortlichkeit und studentischem Engagement. Ob diese Debatte das Vertrauen in die studentische Selbstverwaltung stärken konnte, bleibt offen. Fest steht jedoch: die politischen Spannungen und Reformbedarfe sind real.

Von Larima Allison

AK Medien Vorstand; Chefredakteurin von Das Organ

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