Berlin/Kassel. Bereits im Juni 2017 veröffentlichte ein Team von Politikwissenschaftlern um den Professor Wolfang Schroeder von der Universität Kassel eine Studie mit dem Titel „Parlamentarische Praxis der AfD in deutschen Landesparlamenten“. Die Studie erregte deutschlandweit Aufmerksamkeit. Unter anderem berichteten die taz, die F.A.Z., die Welt und die Badische Zeitung über die Ergebnisse.
Doch die Aufmerksamkeit der Studie gefiel wohl einigen Vertretern der AfD Thüringen nicht. Denn die Studie kam unter anderem zu dem Ergebnis, dass „das Parlamentsplenum […] im Gegensatz zur Arbeitsebene der Parlamente, also den Ausschüssen, das Spielbein der AfD [ist] und […] als Plattform für die stark über soziale Medien verlaufende Präsentation für die Öffentlichkeit [dient]“. Diese Aussage wurde durch Medien weiterverbreitet. So titelte die F.A.Z. mit Verweis auf die Studie: „Wenn AfD-Fraktionen die Sacharbeit scheuen“ und im Interview mit der taz äußerte sich Professor Schroeder auf die Frage, ob einige Fraktionen, wie die Thüringer, keine klassische Parlamentsarbeit machen würden, weiter: „Auf den ersten Blick – ja. Die meisten gehen davon aus, dass es für die AfD im Parlament nichts zu holen gäbe, dass sie dort niemand wolle und die Partei deshalb nur die Ressourcen des Parlaments für sich nutze.“ Dies erzeugte wohl auch den Unmut in der Thüringer Fraktion, denn diese reichte eine Unterlassungsklage gegen das Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) ein, bei welchem die Studie veröffentlicht wurde. Sie sah die Persönlichkeitsrechte ihrer Mitglieder durch die Studie verletzt und bezeichnete diese bereits im Sommer 2017 als „ein unseriöses Machwerk voller Falschbehauptungen“. Durch ein Unterlassungsurteil wäre es dem WZB sowie den Erstellern der Studie verboten worden, die Ergebnisse öffentlich weiter zu verbreiten.
Am 9. April 2019 lehnte das Gericht die Unterlassungsklage der Fraktion ab. Das Gericht begründet seine Ablehnung damit, dass die Studie in keinem Punkt die Persönlichkeitsrechte der Fraktion verletze. Die Präsidentin des WZB Jutta Allmendinger zeigte sich erfreut über das Urteil. Sie sah in der Klage der Fraktion einen Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit in Deutschland und äußerte weiter: „Der erste Versuch der AfD, juristisch gegen die Arbeit einer wissenschaftlichen Einrichtung vorzugehen, ist gescheitert.“ Die Studie habe einen wichtigen Beitrag zur Forschung gebracht und sei, entgegen der Behauptung der AfD, eine „wissenschaftliche Arbeit […], die sich auf die Wissenschaftsfreiheit und die Meinungsfreiheit stützen kann.“ Sie kommt zu dem Schluss: „Mit dieser richterlichen Entscheidung wurde der Wissenschaft der Rücken gestärkt.“ Die Fraktion der AfD im Thüringer Landtag veröffentlichte hierzu bisher keine Stellungnahme.
Warum stellte die AfD-Fraktion eine Unterlassungsklage?
Dabei stellte sie bei ihrer Pressekonferenz, welche als Video vom 21. Juni 2017 noch auf ihrer Facebookseite zu finden ist, die Studie so dar, als sei diese unseriös und behauptet, dies nachweisen zu können. Dies wurde auch durch einen öffentlichen Brief versucht, welcher von Björn Höcke verfasst wurde, aber bereits wieder von ihrer Website verschwunden ist. In diesem behauptete Höcke beispielsweise, dass Angaben zum Anteil der Frauen in der Fraktion falsch berechnet wurden. So sei die Quote der Männer nur 75 Prozent und nicht wie in der Studie behauptet 81,8 Prozent. Dabei unterlässt es Höcke, darauf zu verweisen, dass die Fraktion im Zeitraum der Erstellung der Studie drei Mitglieder verloren hat und von elf Personen auf acht schrumpfte. Nur dadurch erhöhte sich der Frauenanteil der Fraktion. Die drei Personen sind aus der Fraktion ausgetreten und sitzen heute als fraktionslose Abgeordnete im Parlament. Neben der Unterschlagung solcher Informationen im Brief vom Fraktionsvorsitzenden Höcke äußerte Stephan Brandner (seit 2017 MdB) weitere Unterstellungen während der Pressekonferenz. Dieser stellte die Studie als ein parteipolitisch getriebenes Machwerk dar, weil sich das WZB aus öffentlichen Mitteln finanziere und der Hauptautor der Studie, Prof. Dr. Wolfgang Schroeder, Mitglied der SPD-Grundwertekommission sei. Es sei Ziel der Politik, über eine Steuerung des WZB die Arbeit der AfD zu diskreditieren, so Brandner weiter. Beweise für diese Behauptungen konnte die AfD bei ihrer Pressekonferenz jedoch nicht vorlegen.