Präsenzprüfungen im Lockdown: Es kommt auf das richtige Management an

Leere Hörsäle im Lockdown, doch zu den Präsenzprüfungen werden sie sich auch in Kassel wieder füllen
Ein leerer Hörsaal an einer Universität (Symbolbild) (Quelle: Pexels)

Die Corona-Pandemie lässt „rationales Denken“ bisweilen irrational anmuten. Das wissen wir spätestens, seit Geisterspiele, Flugreisen ohne jede Quarantäne, Kreuzfahrten oder die Ausweichscharaden von TV-Shows uns als systemrelevant verkauft werden sollten. Währenddessen warten Kultur, Gastronomie, Hotels, Selbstständige und zahlreiche andere Branchen teilweise noch immer auf ihre Mai-, November-, Dezember- und Januarhilfen.

Die Osterhilfen stehen vor der Tür, ob hilfreich oder nicht. Schließlich sind die größten anzunehmenden Leistungen bei rund 3000 Euro zu verbuchen, Rückzahlung oft nicht auszuschließen. Eine Vertragsstrafe für ein einzelnes ausgefallenes Konzert kann durchaus in die Zehntausende gehen. Fürderhin: Gibt es nun richtige und falsche Demonstrationen oder sind gar alle Demos in diesen schweren Zeiten ein zu vermeidendes Problem? Aber ich schweife ab!

Die Uni als „Stimme der Vernunft“?

Und die Universität? Sind wir eine Stimme der Vernunft in diesen Zeiten? Wir, die Forschenden, die wir stets auftreten als diejenigen, die mit gutem Beispiel vorangingen? In der angebrochenen Prüfungszeit ist das von Studierendenvertretung und Studenten infrage gestellt worden. Viele Universitäten, nicht allein hier in Kassel, lassen ihre Studis Hunderte Kilometer zu Präsenzprüfungen anreisen. Aus anderen Bundesländern. Teilweise aus dem Ausland. Laut studentischen Berichten könnte die Größe solcher Veranstaltungen bis zu 500 Personen erreichen. Es herrsche große Sorge um die eigene Infektion mit Corona, oder dass Menschen ihre Eltern oder Großeltern durch die Prüfungssituationen in Gefahr brächten. Auch haben viele Studierenden ihren Job schon in Lockdown Nummer 1 verloren, leben bisweilen wieder permanent mit ihrer Familie zusammen und offenbar kommt es zu Couchsurfing-Wohngemeinschaften allein für den Zweck der Präsenzprüfungen.

Digitale Probleme und fragliches social distancing

Freilich kann man nicht für Hunderte Menschen eine Onlineprüfung anbieten, die gleiche Chancen ohne Betrugsversuche bietet und dabei nicht jede technische Möglichkeit der eCampus-Plattformen sprengt. Freilich können Onlineprüfungen nur eine Ergänzung zu Präsenz und kreativen neuen Prüfungsformen darstellen, wobei jedes Fach eigene Bedürfnisse formulieren wird.

Eine Möglichkeit, derartig große Prüfungen anzubieten, könnte sein, die ohnehin gerade nicht besetzten Räume der Uni zu verwenden und aus dem jeweiligen Fach Tutoren und Lehrende einzusetzen, die auf mehrere Räume verteilt Aufsichten über die Prüfungen führen. Dabei könnten die Uni Moodle-Listen verwenden, um die Aufsichtsperson den jeweiligen Prüflingen zuzuteilen. Das würde Hygienekonzepte wirksamer machen und tatsächlich für genügend Abstand sorgen.

Eine Raumgröße von 20 bis 30 Personen sollte in diesen Zeiten nicht übertreten werden, in der gesamten Lehre inklusive Schulen nicht und schon gar nicht in Situationen mit Hunderten Personen. Sonst mutet es grotesk an, wenn man auf die Befolgung des Lockdowns pocht, aber gleichzeitig selbst äußerst direkt zu Corona-Infektionen beiträgt.

Ein Plädoyer zum Dialog

Momentan jedoch lassen die Unis ihre Prüflinge anreisen – sofern sie das durch die Witterung und Bahnausfälle der vergangenen Tage überhaupt können. Hier und da werden auch in Sonderfällen Online-Einzelprüfungen angeboten. Und vor allem die studentischen Vertreterinnen und Vertreter haben dafür gesorgt, dass es mehr Fehlversuche geben soll. Eine Erhöhung der Regelstudienzeit wurde ebenfalls bereits entschieden. Darüber hinaus: Selbst in normalen Zeiten führt die erste nicht bestandene oder nicht wahrgenommene Prüfung keineswegs zu einem vollständigen Nichtbestehen.

Nichtsdestoweniger verlegt die Uni relevante Gespräche zu diesen Belangen hinter geschlossene Senats-Türen. Zuhören ist uns zwar erlaubt, aber wir dürfen keine Erkenntnisse verbreiten oder darüber berichten. Dennoch können wir über unsere Situation berichten, ohne dabei Vertrauliches herauszugeben, und verwenden dabei rein die Erfahrungsberichte von Kommilitonen sowie bereits veröffentlichte Fakten unserer Vertreter.

Die Universitäten sollten künftig noch stärker den Dialog mit den Studierendenvertretungen suchen und auf die Lebenswirklichkeiten der Prüflinge und die reale Gefahr von Corona eingehen. Mit so wenigen Infektionen und Nachteilen für den Studienverlauf wie möglich durch die Krise zu gelangen, kann nur im Interesse aller sein.

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