Interview mit Tobias Marczykowski, Kooperative Witzenhausen und Die Linke.SDS Kassel

Tobias Marczykowski posiert auf der Treppe des Studierendenhauses am Campus Holländischer Platz (Foto: Paul Bröker)
Tobias Marczykowski posiert auf der Treppe des Studierendenhauses am Campus Holländischer Platz (Foto: Paul Bröker)

Stell doch bitte dich und deine Liste kurz vor!

Ich heiße Tobias Marczykowski und bin 25 Jahre alt. Ich studiere Politikwissenschaft und Soziologie im Bachelor. Ich repräsentiere heute das Wahlbündnis bestehend aus der Kooperative Witzenhausen und der Linken.SDS.

Das Wahlbündnis besteht für den Senat schon seit einigen Jahren und hat sich in Bezug auf die gemeinsame Zusammenarbeit bewährt. Es ist momentan leider nicht im Senat vertreten, aber wir setzen alles daran, dass das demnächst wieder anders ist und wir uns für euch einbringen können.

Du stehst bei euch in der Liste an letzter Stelle. Warum bist du heute als Vertreter hier?

Das hat unter anderem damit zu tun, dass die Anfrage etwas spontan für uns kam. Richard Finger, unser Spitzenkandidat, ist gerade nicht in Kassel. Ihn hätten wir gerne geschickt. Er hat uns auch schon bei der Podiumsdiskussion stark vertreten.

Für die Leute aus Witzenhausen ist es schwierig, spontan nach Kassel zu kommen, gerade in Zeiten von Corona. Dazu kommt, dass in Einbeck heute (Samstag, 27. Juni 2020) eine Demonstration gegen Rassismus und rechte Gewalt stattfindet.

Ihr habt sicher mitbekommen, dass dort ein Sprengstoff-Anschlag auf eine Antifa-Aktivistin verübt wurde. Und da ist es klar, dass einige Leute von unserer Liste vor Ort sind. Ich habe heute im Anschluss an dieses Interview noch anderweitig Dinge in Kassel zu tun. Daher haben wir uns kurzfristig darauf geeinigt, dass ich heute die Liste vertreten darf.

Wie manche mitbekommen haben, bist du von deiner Position als zweiter Vorsitzender des AStA zurückgetreten. Außerdem hast du die Hochschulgruppe gewechselt. Was hat es damit auf sich?

Eigentlich möchte ich jetzt ungern allzu viel über mich reden. Ich war lange Zeit im AStA aktiv, stand ihm auch in einer Legislatur vor. An der aktuellen Legislatur habe ich mich noch beteiligt, weil der Umzug ins Studierendenhaus angestanden hat. Das ist eine Sache, die sich drei oder vier Jahre hingezogen hat.

Einen großen Teil habe ich mit meiner Kommilitonin Anna Sadok begleiten dürfen. Gerade sie hat da viel Arbeit reingesteckt. Wir wollten, und das war auch ein Anliegen von vielen anderen Personen, diesen Umzug noch bis zum Ende begleiten. Dadurch, dass sich bei solchen Großbauprojekten natürlich immer ein paar Dinge verzögern, ist der Umzug erst Anfang November 2019 geschehen.

Ich hatte angekündigt, dass das gerne meine letzte Tat im AStA gewesen wäre. Ich wurde jedoch gebeten, noch bis Ende des Jahres zu verlängern. Dieser Bitte bin ich nachgekommen. Zum Ende des letzten Jahres bin ich dann aber zurückgetreten, auch um mich wieder mehr meinem Studium zu widmen.

Kommen wir wieder zurück zur Liste, abseits deiner Person. Was sind eure Forderungen für den Senat und warum sollte man euch wählen?

Ich würde mit der uns alle entnervenden Aktualität, mit Corona, anfangen. Es ist natürlich sinnvoll, dass Schutzmaßnahmen getroffen werden. Die Gesundheit aller Studierenden steht an erster Stelle.

Man hat jetzt ja an manchen Beispielen (Gütersloh, Tönnies) gesehen, was passiert, wenn man das zu lasch nimmt. Es ist aber insofern schwierig, als man auch zeitnah seinen Abschluss schaffen möchte und keine Panik vorm Durchfallen haben will. Wir setzen uns daher für Freiversuche ein. Dafür haben wir uns schon vehement in den verschiedenen Gremien stark gemacht, die wir gerade besetzen können.

Darüber hinaus sind wir auch ganz klar dafür, dass diese aus unserer Sicht unsäglichen Spielereien wie Wiederholungspflichten oder Modulblockungen ausgesetzt werden. Ich nenne mal ein konkretes Beispiel: Wer jetzt im Fachbereich 07 bei den WiWis durch eine Klausur geflogen ist, müsste nach aktuellen Gegebenheiten in der aktuellen Situation eine Klausur wiederholen, in der sie oder er ja allgemein schon unter normalen Umständen ihre oder seine Schwierigkeiten hatte. Mir ist nicht bekannt, dass eine andere Liste, die jetzt antritt, auch schon einmal was dazu gesagt hätte.

Eine andere Sache, die man nicht vergessen darf, ist, dass im Senat auch wichtige Kommissionen besetzt werden, zum Bespiel die zentrale QSL-Kommission. Das steht für Qualitätssicherung in Studium und Lehre und dort werden Landesmittel vergeben. Da sind wir momentan zahlreich vertreten und in der letzten Sitzung konnten wir erfolgreich durchsetzen, dass 25.000 Euro bereitgestellt werden, um Sicherheitsmaßnahmen treffen zu können, um das LEO so bald wie möglich wieder zu öffnen.

Wir setzen uns des Weiteren dafür ein, dass die Bibliothek, wenn sie wieder öffnet, ausreichend Platz bietet. Momentan muss der Sicherheitsabstand gewahrt werden, dadurch werden zusätzlich Plätze wegfallen. Für die Zeit, in der die Umbaumaßnahmen weitergehen, haben wir zusätzlich 60.000 Euro erfolgreich beantragt, womit neue Arbeitsplätze geschaffen werden können, die dann hoffentlich dauerhaft existieren.

Die Anonymisierung von Klausuren ist mittlerweile auch ein kleines Alleinstellungsmerkmal. Da haben wir schon an verschiedenen Positionen nachgehakt und damals mit der Fachschaftenreferentin des AStA, die listenunabhängig ist und eine tolle Arbeit macht, viele Impulse gesetzt. Im letzten Sommersemester sollte dazu eine Versuchsphase starten. Das ist aber leider total untergegangen, auch weil das Wahlbündnis aktuell nicht im Senat vertreten ist.

Ein weiterer Punkt, auf den wir aufmerksam machen, ist, dass im letzten Semester die Bundeswehr auf dem Campus war. Wir sind für eine Zivilklausel. Die Zivilklausel ist damals vom Senat bestätigt worden und auch der Präsident hat sich dahinter gestellt. Für uns stellt sich die Frage, wie ernst das genommen wird, wenn die Bundeswehr auf dem Uni-Gelände, in der Zentralmensa, Leute anwerben kann.

Allgemein ist im Senat die kritische Begleitung von Prüfungsordnungen immer ein Punkt. Ich hatte das eben auch schon angedeutet. Das System Studium wird leider immer verschulter. Ein Punkt, der das illustriert, ist, dass es für junge Studierende mittlerweile Elternabende gibt an der Uni. Aber das hat nicht unbedingt was mit dem Senat zu tun.

Was aber durchaus mit dem Senat zu tun hat, ist, dass jetzt zum Beispiel im Fachbereich 16 bei den Informatikern Modulreihungen eingeführt werden, wo dir gesagt wird, dass du Modul 2 erst studieren darfst, wenn du Modul 1 abgeschlossen hast. Dass das zu großen Problemen führen kann, sieht man aktuell zu Coronazeiten. Wenn so eine Veranstaltung nur einmal im Jahr angeboten wird und du das nicht bestehen kannst, selbst wenn es jetzt die Freiversuche gibt, dann hast du ein ganzes Jahr verloren.

Wie läuft die Arbeit im Senat denn konkret ab?

Die traurige Realität ist, dass der Senat aus Studierendensicht sehr ungünstig zusammengelegt ist. Stimmberechtigt sind neun Professorinnen und Professoren, fünf Mitarbeitende und drei Studierende.

Die Professorinnen und Professoren haben eine absolute Mehrheit und wenn die sich einig sind, dann überstimmen sie einen. Das war zum Beispiel bei der Diskussion zur Online-Wahl der Fall, wo wir Studierenden uns stark dagegen gewehrt haben, weil es nicht funktioniert, dass die Wahl anonym gleichzeitig auch nachvollziehbar gestaltet ist.

Das Mitwirken im Senat erfordert viel Vorarbeit. Man trifft sich in der Regel vorab für mehrere Stunden und kaut die Unterlagen durch. Das sind teilweise Hunderte Seiten, gerade wenn neue Prüfungsordnungen oder ähnliches verabschiedet werden sollen.

Dann macht man sich Notizen und unterhält sich mit anderen Kommissionsmitgliedern, zum Beispiel aus der Kommission Studium und Lehre oder der Studiendekanekonferenz. Man macht sich Notizen und stellt Anfragen.

Zu Beginn einer Senatssitzung findet immer eine Befragung des Präsidiums statt. Der Präsident leitet die Sitzung, aber auch alle anderen Präsidiumsmitglieder sitzen vorne und stellen sich den Fragen. Dadurch kann man viel herausfinden.

Was aber aus unserer Sicht in der aktuellen Legislatur deutlich zu kurz gekommen ist, sind Anträge aus der Studierendenschaft. Natürlich bedeutet das immer eine zusätzliche Vorbereitung auf die Senatssitzungen.

Was ich als Beispiel nennen würde, was das Wahlbündnis erfolgreich eingebracht hatte, war ein Beschluss gegen Rechtsextremismus auf dem Campus. Damals trat die Identitäre Bewegung regelmäßig hier in Erscheinung. Unser Antrag ist im vergangenen Sommersemester im Senat beschlossen worden, nachdem man gemeinschaftlich in einer Arbeitsgruppe einen Text erarbeitet hat, in dem man grundlegend klargestellt hat, dass das hier eine Einrichtung ist für alle Menschen, die hier lehren und lernen wollen. Und dass man da keine Abstriche machen kann aufgrund von Herkunft, Sexualität oder Geschlecht.

Alles in allem ist die Arbeit im Senat aber durchaus machbar, weil der Senat in der Regel nur alle drei Wochen tagt. Die kürzeste Senatssitzung, die ich erlebt habe, hat eine Stunde gedauert. Da stand einfach nicht viel auf dem Programm. Da hat man sich nett unterhalten und ist anschließend nach Hause gegangen.

Ich war aber auch neulich als Vertretung in einer Senatssitzung und diese Sitzung hat über sechs Stunden gedauert. Das ist ganz schön anstrengend, weil es im Senat keine Pausen gibt. Und es war sogar doppelt anstrengend, weil ich digital zugeschaltet war und man da gesehen hat, dass das digitale Semester harte Nachteile hat. Ich habe die Hälfte nämlich akustisch nicht verstanden.

Du sprachst eben schon die geringe Wahlbeteiligung bei den Senatswahlen an. Bis Freitag waren es knapp sieben Prozent. Was meinst du, woran das liegt und was man daran ändern könnte?

In der aktuellen Situation haben viele Leute andere Sorgen. Es sind Existenzängste, die gerade herrschen. Da gibt es sicherlich auch wichtigere Dinge. Wenn man gerade gucken muss, wie man über die Runden kommt, hat man dafür nicht den Kopf frei. Oder wenn man gucken muss, dass man mit dem Stoff hinterherkommt, weil es schwierig ist, weil man keine Vorlesungen besuchen kann. Da ist unser Ziel, durch unsere Arbeit für Entlastung zu sorgen und Studieren weiterhin möglich zu machen.

Ein anderer Punkt ist, dass die Wahlbeteiligung an den Universitäten leider allgemein immer schon ziemlich niedrig liegt. Die ist ja bei der letzten Wahl in Kassel auch deutlich gesunken.

Dazu kommt, dass jetzt gerade „nur“ die Senatswahl ist. Der Senat ist für viele nicht greifbar. Das liegt vielleicht auch an einer mangelhaften Transparenz. Von den Sustainable Development Goals, die ein Riesenthema gewesen zu sein scheinen in der laufenden Legislaturperiode im Senat, haben viele nichts mitbekommen.

Und in diesem Zusammenhang muss man tatsächlich das Universitätspräsidium lobend erwähnen. Die haben diese oder letzte Woche eine Rundmail geschickt, mit der sie Transparenz schaffen wollen. Diese Transparenz hat uns  von studentischer Seite in der aktuellen Senatslegislatur gefehlt und wir konnten sie als Nicht-Mitglieder auch nicht schaffen.

Dazu kommt, dass leider einige Dinge vollkommen hinten heruntergefallen sind wie auch etwa die Diskussion rund um die Kunsthochschule und ihren Status als „teilautonom“. Als Wahlbündnis machen wir uns auch für die Außenstandorte stark, die oftmals etwas stiefkindlich behandelt werden wie etwa die Kunsthochschule oder Witzenhausen.

Viele Dinge, die Studierende eher interessieren würden, wie das Kultur- und Semesterticket, sind zudem Angelegenheiten, die nicht im Senat geklärt werden.

Es ist supertraurig, wenn es eine einstellige Wahlbeteiligung gibt und das wird sich hoffentlich wieder bessern, wenn die studentischen Wahlen sind.

Online-Wahlen wurden vom Universitätspräsidium als Heilsbringer verkauft für eine steigende Wahlbeteiligung. Das sieht jetzt gar nicht gut aus. Zumal man bedenken muss, dass man knapp zwei Wochen wählen konnte. Die händischen Wahlen und, da muss ich jetzt auch mal fies sein und sagen, somit wirklich demokratischen Wahlen haben immer drei Tage gedauert und da war man dann zweistellig. Es wird sehr spannend, ob das noch erreicht werden kann.

Vielen Dank für das Gespräch!

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