Warum wir wählen

Und was eigentlich und wofür die gut sind.

Ab 18.06. finden die alljährlichen Hochschulwahlen statt. Bis zum 03.07. können alle Studierenden der Universität Kassel ihre Stimmen abgeben, für ihren Fachschafts- und Fachbereichsrat, den Senat sowie das Studierendenparlament. Ohne diese Wahlen gibt es keine studentische Mitbestimmung bei Prüfungen und Lehre, allgemeinen Entwicklungen auf der Hochschule und es gibt keine verfasste Studierendenschaft. Zeit einmal durchzugehen, wer genau wie mitgestaltet.

Zunächst ist zu unterscheiden zwischen den Hochschulwahlen, welche von der Uni organisiert werden, und den studentischen Wahlen, welche von der Studierendenschaft selbst organisiert werden. Beide finden zur selben Zeit statt, nutzen dieselbe Plattform und weisen weitere Überschneidungen auf, doch ist dies mehr dem Wunsch nach Bequemlichkeit geschuldet als aufgrund eines inhaltlichen Zusammenhangs.

Der Senat

Bei den Hochschulwahlen werden die Gremien der Universität gewählt. Das sind der Fachbereichsrat und der Senat. Letzterer ist dabei das höchste Gremium der Universität. Im Senat sitzen neun Professor:innen, drei Studierende, drei Wissenschaftliche Mitarbeitende und zwei administrativ-technische Angestellte. Jede Gruppe wird jeweils von ihren Mitgliedern gewählt, also Professor:innen von Professor:innen, Studierende von Studierenden, etc. Faktisch haben die Studierenden deshalb in diesem Gremium auch eine schwierige Position, da keine Abstimmung gegen die absolute Mehrheit der Profs entschieden werden kann.

Dennoch ist es wichtig, dass Studierende hier mit am Tisch sitzen. So erfahren sie als die Ersten die Pläne der Unileitung, erhalten Zugang zu Berichten und können studentische Themen und Perspektiven einbringen. Dies ist besonders wichtig, da die beiden größten professoralen Listen zumindest aus studentischer Perspektive weder besonders aktiv noch besonders kritisch in Fragen der Hochschulentwicklung sind.

Da der Senat so gut wie jede Entscheidung an der Uni bestätigen muss, wird die Hauptarbeit auch selten im Senat erledigt, sondern meistens in den Kommissionen, die ebenfalls vom Senat gebildet werden. Dazu gehört dann zum Beispiel die Kommission Studium und Lehre, welche im Vorfeld alle Prüfungsordnungen, die erlassen, geändert oder aufgehoben werden, prüft und zur Abstimmung empfiehlt oder eben nicht.

Auch interessant ist die Zentrale Studienkommision. Diese verfügt über die vom Land bereit gestellten zentralen QSL-Mittel (Qualitätssicherung Studium und Lehre). Damit betreut die ZSK den größten Topf der Universität, der verhältnismäßig frei für Projekte von Lehrenden und Studierenden genutzt werden können, um besondere Angebote zu schaffen, Lehrexperimente zu starten oder Projekten Anschubfinanzierung zu geben. So finanziert sich zum Beispiel diese Zeitung aus QSL-Mitteln, genauso wie der Campus-Garten bzw. das Repaircafé beim Studierendenhaus. Diese Kommission ist tatsächlich auch paritätisch besetzt, also mit genau so vielen Studierenden wie Lehrenden.

Abseits von den beiden genannten gibt es noch unendlich viele andere Gremien und Arbeitskreise. Nicht immer ist es leicht, einen Überblick über deren Besetzung und Funktion zu haben. Doch die meisten davon sind sehr wichtig für Studienverläufe und Studierbarkeit  an der Uni, genauso wie die Aufenthaltsqualität auf dem Campus. Ohne Studierende, die sich daran beteiligen, und einer guten, wachen Vertretung im Senat, wird die Arbeit für besseres Studieren schwerer und das Studium mitunter schlechter.

Fachbereichsrat

Einige dieser vorgelagerten Gremien, welche extrem viel entscheiden, sind die Fachbereichsräte . In ihnen werden die Anliegen eines Fachbereichs besprochen. Im FBR sitzen in der Regel sieben Profs, drei Studierende, zwei Wissenschaftliche Mitarbeitende und ein Technisch-Administrativer Mitarbeitender. Der Fachbereichsrat wählt unter anderem das Dekanat, den Prüfungsausschuss und entwirft auch Prüfungsordnungen.

Während sich im Senat eher mit den längeren Linien befasst wird, findet im FBR die Arbeit statt, welche am Ende konkret über Studienverläufe und Studierbarkeit entscheidet. Wenn Studiengänge eingerichtet, neue Professuren berufen oder Prüfungsordnungen erlassen werden, geht dies immer zuerst vom Fachbereichsrat aus. Darüber hinaus haben Fachbereichsräte auch noch eigene Ressourcen, die sie verwalten und über die sie verfügen, dazu gehören unter anderem auch die dezentralen QSL-Mittel. Diese funktionieren wie die schon beschriebenen zentralen QSL-Mittel, sind aber an den Fachbereich gebunden.

Im Prinzip ist alles, was im Studium nerven kann, von eng getakteten Prüfungsphasen, monotonen Klausuren und schwer in Regelstudienzeit zu durchlaufenden Prüfungsordnungen, die Folge von Entscheidungen im Fachbereichsrat. Das meint nicht, dass die Menschen dort mutwillig ein schlechteres Studium wollen, sondern vielmehr, dass es ein komplexes System aus Abwägungsentscheidungen ist, in welchem Ressourceneinsatz, Rechtssicherheit und Studierbarkeit einander beeinflussen. Entsprechend wichtig sind Studierende in diesen Runden, da es ohne eine starke Stimme für Studierbarkeit nur nachvollziehbar wäre, wenn lieber der Arbeitsaufwand für die Uni reduziert werden würde.

Die selbstverfasste Studierendenschaft

Dass Studierende in den oben genannten Gremien sitzen, war nicht immer so und ist vor allem auf politische Kämpfe seit den 60er-Jahren zurückzuführen. Ursprünglich organisiert haben diese Prozesse die Studierendenschaft als eigene Organisation und Institution. In den meisten westdeutschen Bundesländern nach dem zweiten Weltkrieg eingerichtet, haben sogenannte Selbstverfasste Studierendenschaften die Möglichkeit, von ihren Mitgliedern (allen Studierenden) Beiträge zu erheben und sich selbst eigene Satzungen und Ordnungen zu geben. Dies dient der Vertretung der Interessen der Studierenden sowie der Förderung von kulturellen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Aktivitäten und Belangen.

Es ist nicht zu unterschätzen, welche Möglichkeiten sich aus Selbstständigkeit der Studierendenschaft ergeben. Unabhängig von der Uni zu sein, welche lediglich Haushalte, Ordnungen und Beiträge auf Einhaltung rechtlicher Standards zu prüfen hat, können Studierendenschaften sich nach Belieben strukturieren und die Interessen der Studierenden umsetzen. Und die Grundlage für all diese Aktivitäten sind die studentischen Hochschulwahlen.

Fachschaftsräte

Der erste Teil der verfassten Studierendenschaft sind die Fachschaftsräte. Ähnlich wie die Fachbereichsräte sind sie lediglich im jeweiligen Fachbereich aktiv. Häufig arbeiten sie eng mit Dekanat und Fachbereichsrat zusammen und haben dort ein Anhörungsrecht. Sie bestehen aus bis zu 20 Studierenden eines Fachbereichs und vertreten die Interessen der Studierenden eines Fachbereichs. Neben ihrer Mitarbeit in zahlreichen Gremien und Kommissionen bedeutet das insbesondere die Unterstützung von Studierenden im Konfliktfall und die Kritik von Fehlentwicklungen im Fachbereich.

Darüber hinaus setzen sich die meisten Fachschaftsräte auch für eine bessere Studienqualität ein. So engagieren sie sich häufig in den O-Wochen und der Einführung von Erstis, geben Studienberatung und organisieren Vernetzungsveranstaltungen. Fachschaftsräte erhalten aus den studentischen Beiträgen dazu ein eigenes Budget, durch welches Veranstaltungen finanziert werden können. Mitunter werden darüber sogar ganze Exkursionen oder Vorlesungsreihen organisiert.

Die Arbeit der Fachschaftsräte ist dabei wie alle hier genannten Gremien ein Ehrenamt mit mitunter erheblichem Arbeitsaufwand. Im Gegensatz zu den anderen benannten Gremien haben Fachschaftsräte jedoch in den seltensten Fällen ein tatsächliches Mandat, weshalb ihre Durchsetzungsfähigkeit von ihrer Reputation und ihrem Mandat abhängt. Das heißt, je mehr Studierende einen Fachschaftsrat wählen, umso ernster wird er von der Universität genommen.

Das Studierendenparlament

Was der Senat für die Uni ist, ist das Studierendenparlament für die Studierendenschaft. Es besteht aus 25 Studierenden, welche die Beiträge und den Haushalt festlegen, sowie den AStA wählen. Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) ist das ausführende Organ der Studierenden, vergleichbar mit der Regierung. Er bereitet die Haushaltspläne vor, verwaltet die Mittel und Auszahlungen und entscheidet über die Verwendung kleinerer Beträge. Er bietet ein eigenes Kulturprogramm an sowie diverse andere Angebote. Auch verhandelt der AStA-Vorsitz für die Studierendenschaft mit externen Akteuren, wie zum Beispiel den Verkehrsbetrieben, über das Semesterticket.

Mit der Wahl des AStA aber auch mit der Möglichkeit, Satzungen und Ordnungen zu ändern, sowie ihrer Hoheit über Haushalt und Beiträge, kann das Studierendenparlament in der Theorie die gesamte verfasste Studierendenschaft formen und gestalten. Außerdem kann es auch für die gesamte Studierendenschaft Vorgänge an der Universität kommentieren, kritisieren und dazu Stellung nehmen.

Wie wird gewählt?

Alle hier genannten Gremien werden via Listen gewählt. Listen funktionieren ähnlich wie Parteien und sammeln Menschen mit gemeinsamen Interessen unter einem Namen. Einzelkandidaturen sind auch möglich, allerdings können nur die Mitglieder einer Liste andere z.B. im Krankheitsfall vertreten. Alle Studierende können Listen bilden und einreichen, dies erfolgt meist im Mai vor der Wahl.

Wenn mehrere Listen antreten, wird nach Listenwahl gewählt. Dabei erhalten die Listen anteilig nach ihrem errungenen Wahlergebnis Sitze im jeweiligen Gremium. Das Hare-Niemeyer Verfahren, was bei der Auszählung angewandt wird, sorgt dafür, dass keinen „festen“ Wert gibt, ab wie viel Stimmen Listen einen  Sitz erreichen, sondern führt eine Form der Rundung durch, wonach Listen, die nah an einen Sitz gekommen sind, höhere Chancen haben, selbigen zu erhalten.

Tritt nur eine Liste an, findet eine Mehrheitswahl statt. Dabei können die einzelnen Personen auf einer Liste individuell gewählt oder nicht gewählt werden. Die Reihenfolge auf der Liste wird anschließend entsprechend den erhaltenen Stimmen angepasst. In beiden Fällen entscheidet letztendlich die Reihenfolge auf der Liste darüber, welche Mitglieder einer Liste die gewonnenen Mandate oder Sitze erhalten.

Warum sollte man wählen?

Sollte das aus den oben erfolgten Beschreibungen nicht deutlich geworden sein, hier noch einmal: Alles, womit du an der Hochschule interagierst, ist da, weil eines der oben genannten Gremien eine Entscheidung getroffen hat. Vom Mensaessen über LEO-Öffnungszeiten, über deine Profs, Prüfungen und Seminare bis zum Semesterticket, dem Café Desasta oder der Färberei. Der Campus kann grüner, das Essen besser, das Studium angenehmer und Kassel interessanter werden, wenn Uni und Studierendenschaft in die richtige Richtung gehen. Und über diese Richtung entscheidet die Wahl.

Überall sind Gremien, in welchen Studierende benötigt werden, die ein klares Ziel und ein starkes Mandat haben. Das nicht wahrzunehmen heißt, sich der Willkür der Professor:innen auszuliefern und die halbe Million, die der AStA als Projektbudget hat, einfach verkommen zu lassen. Es gibt in Kassel über 20.000 Studierende, es gibt viele Städte , die kleiner sind. Wenn wir uns zusammentun und bereits vorhandene Ressourcen nutzen, kann sich Vieles ändern.

Autor: Konrad Winter


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